KINDER . eine erste Begegnung . 2001
Ich sitze im Morgenlicht vor der Unterkunft, draußen vor der Tür, direkt an der Treppe. Die drei kleinen Räume, in denen wir 4 Künstler nächtigen, befinden sich auf der ersten Etage des 2-stöckigen Hauses, das einzige weit und breit; unten ist eine medizinische Ambulanz – einmal in der Woche ist sie besetzt und es stehen dann Schlangen vor der Tür, um an die Reihe zu kommen.
Ich blicke über die ebenerdigen Steinhäuser, kleine langgestreckte Quader, blassgelb, hellrosa getüncht, von Betonzäunen umgeben, auf Sand gebaut – kein Grün, soweit das Auge reicht. Hinter mir, im dahinterliegenden Quartier, Wellblechhütten, Häuschen aus Dachpappe, angebaut, ausgebaut, teils notdürftig geflickt, mit Gittern vergittert – noch ruht alles, noch ist es still, der Lärm der Nacht, die Musik, die Rufe und Schreie, das Hundegebell sind seit einiger Zeit verstummt. – Langsam beginnt das morgendliche Leben hier in Khayelitsha wieder, Menschen wandern über die Wege und Straßen, manche mit Aktentaschen, viele Mütter mit Kindern.
Gegenüber in einem der Häuser ist ein Kindergarten untergebracht. Jeden Morgen werden die Kleinen hier abgegeben, die Mütter gehen fort, gehen ihrer alltäglichen Arbeit nach. Nach ein paar Tagen hat sich ein kleines Ritual eingeschlichen: größere Mädchen kommen mit den ganz Kleinen nah an den Zaun, sie schauen hoch zu mir, winken zaghaft, lächeln, ihr Xhosa verstehe ich natürlich nicht. Auch ich bin scheu – es ist das Jahr 2001, ich bin das erste Mal in Kapstadt, das erste Mal lebe ich in einem Township, ich traue meinem Englisch nicht, ich traue mich nicht. – Irgendwann gehe ich runter und rüber, frage, ob wer Englisch versteht; eins der großen Mädchen radebrecht ein paar Worte mit mir.
Ich sehe die Augen der Kleinen vor mir, sie sitzt auf dem Arm – groß und schwarz und neugierig blickt sie mich an. Langsam streckt sich ein Arm, kleine Finger greifen mir ins Haar, fühlen, ziehen, ziepen ein wenig; dann die Berührung der Wangenhaut, ein Hauch, ganz vorsichtig. Die Kleine sagt etwas, „schön“ bedeutet das – wird mir übersetzt. Ich erwidere die Geste, greife in festes lockiges schwarzes Kinderhaar, fühle, kraule, streiche über die kleine runde Kinderwange, sehe das Staunen im Kindergesicht – und sage „schön“. – Alle Kinder kichern und lachen; der Bann ist gebrochen. Ein fröhliches morgendliches „hallo“ schallt nun täglich von dort unten zu mir nach oben, wenn ich wieder mal nicht schlafen kann und draußen lese und den Morgen genieße. „Oudah“ rufen sie mich und schreiben meinen Namen so, wie sie ihn sprechen – das sehe ich, als ich zum Abschied nach 4 Wochen einen gemalten Brief erhalte mit vielen Sonnen und Herzen.
In meinem Bauch, in meiner Erinnerung lebt das Gefühl dieser ersten zarten, sanften Begegnung, ein magischer Moment, diese kindliche Neugier, ein scheues Aufeinanderzugehen und erste Annäherung – meine Berührung mit dem schwarzen Kontinent.
Uta Göbel-Groß
Künstlerin, Kunst-Dozentin . seit 2000 im Rahmen der Partnerschaft Aachen-Kapstadt in Kreativ-Projekten tätig. Kunst-Dozentin und Projektleitung für MURALs/Wandbildern . seit 2000 mehr als 15 Wandbildprojekte mit Jugendlichen von Partnerschulen & lokalen Künstlern in Südafrika & Europa. zwischen 2001 und 2011 insgesamt 7 Aufenthalte in CT.
„I love colours, paint, brushes, I love intense work on ideas, visions and crazy scales, I love to create big murals in teamwork, I love to share and learn and deepen my view into life and world. – The partnership makes me rich and feel at home and connected to people over distances. It makes my life colourful every single moment.“