Don’t you speak to black people? . 2003
Es gibt zwei Schlüsselerlebnisse bei meinem ersten Besuch mit der Aachener Partnerschaftsdelegation in Kapstadt im Jahr 2003.
Direkt nach der Ankunft am ersten Tag wurde ein Treffen im Botanischen Garten in Kirstenbosch mit Picknick bei einem Klassischen Konzert organisiert. Das Gelände war voller Menschen und eine große Bühne vor dem Tafelbergmassiv aufgebaut. Die Wiedersehensfreude und die tolle Stimmung waren wirklich überwältigend. Aber nach einiger Zeit realisierte ich, dass unter den vielen Besuchern überwiegend Weiße Menschen zu sehen waren – weit hinten entdeckte ich einen kleinen schwarzen Jungen. Das Busticket und der Eintritt seien zu teuer für die meisten, nicht weißen Menschen war die Erklärung unserer Freunde. Wie konnte das sein? Die Apartheid war eigentlich schon seit über 10 Jahren vorüber und ich hätte damals nicht erwartet, dass es noch Jahrzehnte dauern würde, bis sich überhaupt merkbar etwas an dieser gesellschaftlichen Situation ändern würde.
Die zweite Begegnung fand im Verwaltungsgebäude vom Township Khayelitsha statt. Wir waren morgens unterwegs zu einem der vielen Treffen, die wir mit Verwaltung und NGOs hatten, zum Kennenlernen von Planungen und Projekten zur Verbesserung der Lebenssituation in den Townships. Wie gesagt, es war früh morgens und wir begegneten im Eingang des Gebäudes drei Arbeitern mit schwarzer Hautfarbe, die wir zwar sahen, aber nicht grüßten – so wie es in Deutschland leider üblich ist. Einer der drei sprach uns an, sagte freundlich „Good Morning“ und fragte: „Don‘t you speak to black people?“ Es traf mich wie der Schlag – wie konnte es sein, dass selbst ich in meiner Wertewahrnehmung so weiß geprägt bin, dass ich die drei Männer nicht beachtet hatte. Die Ausrede, dass wir Deutschen einfach „grüßfaul“ sind, galt für mich nicht. Für mich ist es eine unbewusste Form diskriminierenden Verhaltens, die sich in unseren weißen Köpfen verbirgt, bis wir sie aufdecken.
Ja und genau das ist passiert. Für mich hat sich ein Bewusstsein aufgedeckt für den Blick auf die Gleichwertigkeit, die Gerechtigkeit und das soziale Miteinander aller „Farben“ meiner Mitmenschen. Die beiden Erlebnisse begleiten mich seit 2003 und haben zusammen mit vielen anderen Geschichten und Begegnungen, die ich im Zusammenhang mit der Partnerschaft hatte, mein Leben bereichert.
Nika Stützel
Geografin . Ich bin aktiv in der Aachen- Kapstadt Partnerschaft und Vorstandsmitglied im Förderverein Ich konnte in den vergangenen Jahren immer wieder Projekte aus der Partnerschaft mit meiner beruflichen Tätigkeit am Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur der Uni Aachen verknüpfen. So entstanden Studienprojekte, Kooperationen und Exkursionen zu den Themen der nachhaltigen und sozial gerechten Stadtentwicklung in Kapstadt.
Besonders ist: nach 20 Jahren Teil eines Nord-Süd Netzwerkes zu sein, das Menschen, Inspirationen, Freundschaften und Zukunftsideen weltumspannend miteinander verbindet; dass die vielen kleinen Projekte vieles auf persönlicher Ebene bewirken konnten und meine Sicht auf die Welt nachhaltig verändert hat.