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APARTHEID AUF DER STRAßE? 
Oder:  Wie ich lernte, in Kapstadt
mit dem Bus zu fahren . 2002/2003

Bei meinem schon lange zurückliegenden Aufenthalt in Kapstadt – November 2002 bis April 2003 – spielte das Busfahren eine bedeutende Rolle. Nach meiner Ankunft in der anthroposophischen Gemeinde in Plumstead, wo ich ein kleines Zimmer mieten konnte, waren alle Menschen entsetzt darüber, dass ich mir kein Auto anschaffen wollte, um zu den verschiedenen Arbeitsorten von Abalimi – dem Verein, bei dem ich arbeitete – in Khayelitsha zu fahren. Das kam für mich aus mehreren Gründen überhaupt nicht in Frage. Wie sollte ich mich mit meiner ausgeprägten Rechts-Links-Schwäche auf den links ausgerichteten Verkehr umstellen! Wie sollte ich überhaupt mit meiner übervorsichtigen Art Auto zu fahren bei dem Wahnsinnsverkehr jemals irgendwo heil ankommen? In solch einer Stadt musste es doch öffentlichen Personennahverkehr geben. „Keine Ahnung“, meinten meine neuen, in den ersten Tagen überwiegend weißen Bekannten. „Das gibt es hier gar nicht und wenn: viel zu gefährlich.“ Hmmm???

Anfangs nutzte ich die Mitfahrgelegenheit einer Mitarbeiterin von Abalimi, die auch in Plumstead lebte. Mit und mit beobachtete ich, dass in einer gewissen zeitlichen Taktung fahrende Busse im Township sichtbar waren. Und ich sah natürlich auch die vielen Menschen, die frühmorgens aus dem Township in die weißen Viertel strömten, um dort ihrer Arbeit nachzugehen. Nach und nach kam ich immer mehr in Kontakt mit den Frauen im Township. „Of course, there are busses from Wynberg Station to Khayelitha.“ Und so rollte ich das Problem von hinten auf: Einige Frauen und Kinder begleiteten mich zur Bushaltestelle und leisteten mir Gesellschaft, bis der Bus kam. Sie schärften dem Busfahrer ein, gut auf mich aufzupassen und mich auf keinen Fall vor der Haltestelle „Wynberg Station“ aussteigen zu lassen. Am nächsten Morgen war die Fahrt in die entgegengesetzte Richtung keine Herausforderung mehr. Ich benutzte diese Buslinie dann fast ein halbes Jahr lang, war immer der einzige weiße Mensch im Bus und wurde immer unglaublich höflich behandelt. Interessanterweise war allen, mit denen ich ins Gespräch kam, klar, dass ich aus Europa war und keine Südafrikanerin.

Meine NachbarInnen in Plumstead beobachteten, dass ich jeden Tag heil nach Hause kam, was fast als Wunder gehandelt wurde. Die meisten hatten sich noch nie in eines der schwarzen Viertel getraut. Mit und mit erwachte das Interesse, es auch mal zu wagen. So wurde ich in den letzten Wochen meines Aufenthalts zur staatlich ungeprüften Reiseleiterin zwischen Plumstead und Khayelitsha, wo alle Gäste in den Gärten von Abalimi freundlich empfangen wurden.

Sabine Schönberg-Ehlen

Jahrgang 1955, ertappte sich immer wieder dabei, neidisch auf die jungen Leute zu sein, die vor oder nach ihrem Studium eine längere Zeit im Ausland verbrachten. Sie sparte über sechs Jahre ein Sabbatjahr an, ihre Kinder mussten noch erwachsen werden.

2002 war es endlich soweit! Manche Träume dauern halt bis zum 47. Geburtstag. Einige Wochen jobbte sie auf einem französischen Biogemüsehof und schloss sich der buddhistischen Gemeinschaft von Thich Nhat Hanh in Plum Village an.

Anschließend erfüllte sie sich ihren Traum: ein halbes Jahr Kapstadt. Aber nicht als weiße Touristin! Sie wollte vor allem das Leben der schwarzen Bevölkerung nach dem Ende der Apartheid kennenlernen. Und das ging am besten beim gemeinsamen Arbeiten. Sie fand einen ehrenamtlichen Job in einem von Abalimi unterstützten Garten und in einem Kinderheim für Kinder, deren Eltern an HIV erkrankt waren.

Sie genoss aber auch, so nah an zwei Ozeanen zu leben und fuhr nach der Arbeit in Khayelitsha meistens noch mit dem Zug nach Kalk Bay zum Schwimmen.

Die Großzügigkeit meines Partners soll hier nicht unerwähnt bleiben: Er holte mich im Herbst 2003 persönlich ab, und wir hatten noch zwei herrliche gemeinsame Wochen zwischen Tafelberg und Khayelitsha.

„Die Partnerschaft ist für mich die Fortsetzung meiner Zeit in Kapstadt, quasi als Unterstützung zahlreicher Projekte von Zuhause aus. Das Mühen um gegenseitiges Lernen auf gleicher Augenhöhe fasziniert mich dabei besonders.“